Iraner erinnern an Hinrichtungswelle

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Iraner erinnern an Hinrichtungswelle

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Acht Jahre lang saß ihr Bruder in einem iranischen Gefängnis. Einige Monate davon in einem Hundekäfig. Fünf Mal durfte die Mutter der Beiden ihren Sohn in diesen Jahren besuchen. Dann töteten sie ihn. Nachdem sie ihn getötet hatten, kamen die Schergen des Regimes mit einem Stück Papier zu der Mutter, dass sie unterschreiben sollte. Sie wollte wissen, was sie da von ihr zu unterzeichnen verlangten. Sie sagten ihr, sie solle unterschreiben, dass keine Trauerfeier veranstalten, niemandem Bescheid sagen und keine Fragen stellen würde. Als sie sich weigerte, schlugen sie die alte Frau. Aber sie weigerte sich weiterhin. Immer wieder ging sie zu dem Gefängnis und sagte: "Ihr habt schon meinen Sohn getötet. Jetzt gebt mir seinen Leichnam." Schließlich gaben sie ihr einen blutigen Strang. "Damit haben wir Deinen Sohn getötet", teilten sie ihr mit. Es war alles, was sie bekam.

 

Der Bruder, von dem die Frau am Podium erzählt ist einer von Zigtausenden, die in den Gefängnissen des Iran umgekommen sind. Im Jahr 1988 erreichte die Gewalttätigkeit gegenüber den politischen Gefangenen ihren bisherigen Höhepunkt. Da die Hinrichtungen geheim gehalten wurden und die Regierung des Irans bis heute abstreitet, kennt niemand die genaue Zahl der Toten. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 30.000 Menschen der Hinrichtungswelle von 1988 zum Opfer fielen.

In den Gefängnissen wurden sie zuvor gefoltert. Schläge und Scheinhinrichtungen waren an der Tagesordnung. Zum Tode verurteilte Frauen wurden vor ihrer Hinrichtung vergewaltigt
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Nach islamischem Glauben würden sie direkt ins Paradies gelangen, wenn sie als Jungfrau stürben, was es auf Geheiß des Ayatollahs Khomeini zu vermeiden galt.

Exil-Iraner in Berlin haben am 20. August diesen Jahres gemeinsam an das Gefangenenmassaker von 1988 erinnert. Viele von ihnen haben selbst Angehörige verloren. Einige können ihre Tränen nicht zurück halten, als sie im Lichtenberg-Haus in Berlin von ihren Erlebnissen erzählen. Trauer und Wut spüren sie aber nicht nur, wenn sie an die Vergangenheit, sondern auch, wenn sie an den heutigen Iran denken. Den Iran, in dem die Mullahs immer noch an der Macht sind. In dem ein Mahmud Ahamadinedschad Präsident ist, der einst als Freiwilliger der Iranischen Revolutionsgarden für seine Brutalität gefürchtet wurde, und der jetzt jegliche Form von Opposition mit Gewalt zu ersticken versucht. In dem ein Mir Hossein Mussawi als Hoffnungsträger herhalten muss, der während der Hinrichtungswelle von 1988 das Amt des Premierministers inne hatte.

Auf die ungute Rolle Mussawis während seiner Amtszeit geht auch der Rechtsanwalt Bernd Häusler ein, der als Menschenrechtsbeauftragter der Berliner Anwaltskammer zu den Rednern der Veranstaltung gehört. Zwar steht Mussawi in Gegnerschaft zu Ahamadinedschad, aber neben den Hinrichtungen politischer Gefangener ist er auch noch für eine andere schwere Menschenrechtsverletzung mitverantwortlich: Während seiner Zeit als Regierungschef wurden Tausende von Kindern auf die Minenfelder des Iran-Irak-Kriegs geschickt, um die dortigen Minen aufzuspüren. Zu Anfang hatte das Militär noch Hunde für diesen Zweck eingesetzt. Die Tiere erkannten jedoch die Gefahr und flohen. Den Kindern, mit denen man die Hunde ersetzte, versprach man, dass sie in den Himmel kommen würden. Um den Hals trugen sie kleine Plastikschlüssel, mit denen sie die Himmelspforte öffnen sollte.

Die von Carl-Wolfgang Holzapfel, der jahrelang gegen das DDR-Regime kämpfte und sich bis heute für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft einsetzt, moderierte Veranstaltung, war aber auch mit einer konkreten Forderung verknüpft: Der Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe im Iran.

Eine Forderung, die selbstverständlich auch von den anderen Rednern, darunter der Menschenrechtsaktivist Christian Zimmermann und der iranische Schriftsteller und Ingenieur Mohammad Moschiri geteilt wurde.

Zwar erwartete wohl keiner, dass die zu diesem Zweck gesammelten Unterschriften die Mullahs im Iran zu einer Umkehr bewegen könnten. Aber viele hoffen, dass eine zunehmende Isolation und zunehmender Widerstand im und außerhalb des Irans das Regime zu Fall bringen und diese Nation mit ihrer langen und stolzen Vergangenheit vom Erbe Khomeinis erlösen wird.

(Foto: M. Moschiri)
www.diezeitbruecke.de

Fabian Heinzel, 30.08.2010 21:05 |